Wir wollten doch nicht unter uns bleiben….

Neujahrsempfang 2010 der SPD Marzahn-Hellersdorflogo

Am 22. Januar 2010 lud die Marzahn-Hellersdorfer SPD schon traditionell zum Neujahrsempfang ins Biesdorfer Schloss ein. Für Stefan Komoß war es die erste Neujahrsansprache als Kreisvorsitzender. Als Gäste konnte er neben lokalen Vertretern unterschiedlicher Parteien und Organisationen auch Bundestagsvizepräsidenten im Doppelpack begrüßen: Petra Pau und Wolfgang Thierse. Auffallend war das zahlreich vertretene jugendliche Publikum unter den ca. 60 Gästen.

 

Komoß zog in seiner kurzen Ansprache die Bilanz für 2009 und würdigte insbesondere die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung, die auch Dank der guten Zusammenarbeit aller Parteien möglich wurden. Der Bezirk sei jetzt aktuell mit 32 Millionen € verschuldet. Für 2010 stehe der weitere Schuldenabbau wieder an vorderer Stelle, so wie auch die Umsetzung der Schulstrukturreform im Bezirk. Dieser radikale Umbruch sei nur mit den Veränderungen in der Schullandschaft vor 20 Jahren vergleichbar.

cn_thierse_DW_Polit_579513gDas war dann auch das Stichwort für Wolfgang Thierse, der eine Rückschau vornahm und eine bewegende Interpretation dieser Zeit vornahm. Er habe bei diversen Fernsehdokumentationen über 20 Jahre friedliche Revolution und deutsche Einheit das Gefühl gehabt, es anders erlebt zu haben. „Die Mauer wurde von Ost nach West eingedrückt. Freiheit, Gerechtigkeit und Einheit. So war der Geschichtsverlauf – lehrt das Jahr 1989.“Historisch gesehen hat die friedliche Revolution eine lange Vorgeschichte, auf die Thierse nur stichpunktartig einging. Und sie hatte tief greifende und nachhaltige Auswirkungen. Beispielsweise gab es zwischen 1991 und 2005 insgesamt 2,3 Millionen Fortzüge aus den neuen in die alten Bundesländer und 1,4 Millionen in die umgekehrte Richtung.“ Wir wollten doch nicht unter uns bleiben!“ Das habe er persönlich und beispielhaft auch in seinem Kiez am Kollwitzplatz erlebt.

Abschließend zitierte Thierse nicht etwa Willy Brandt sondern einen ehemaligen FDP-Politiker, einen der hellsten Köpfe des bürgerlichen Liberalismus: Ralf Dahrendorf (1929-2009) –  zumindest Sohn eines sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten. Der berühmte Professor der Soziologie an der London School of Economics prognostizierte unmittelbar nach der großen Wende 1989/90, dass man auf dem Gebiet der politischen Institutionen eine völlig neue Welt in 6 Monaten aufbauen kann. Man kann ein Mehrparteiensystem mit Parlament, Verfassungsgerichtshof und weiteren unterschiedlichen Institutionen des Rechtsstaates relativ schnell aufbauen. Weiterhin meinte er damals ganz optimistisch, dass man eine Marktwirtschaft in etwa 6 Jahren aufbauen könne und das war tatsächlich der Fall. Das Wichtigste aber, was er zu sagen hatte betraf die Einstellung, die Mentalität, die Denkweise der Menschen: um diese zu ändern und eine funktionierende Zivilgesellschaft zu schaffen, meinte er, brauchte man wenigstens 60 Jahre.

Wolfgang Thierse hofft aber, dass das schneller geht.

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